Traumjob nach Alkoholsucht: Im Gespräch mit dem Kabarettisten Josef Burger
In unserer Rubrik „Sober Stories“ berichten wir regelmäßig über Menschen, die sich dazu entschlossen haben, alkoholfrei zu leben. Heute stellen wir den Kabarettisten Josef Burger vor. Er trinkt seit 20 Jahren keinen Alkohol mehr und hat sich nach der Suchttherapie seinen Traumjob erfüllt und ist Kabarettist geworden. Sein Suchtpräventions-Kabarett „100% Rauschfrei“ hat er bereits über 500 Mal mit über 50.000 Besucherinnen und Besuchern aufgeführt. Sein Lebensmotto ist: „Die Hoffnung stirbt nie zuletzt, sie stirbt immer vor der noch immer vorhandenen Chance.“
Warum haben Sie sich damals dazu entschlossen keinen Alkohol mehr zu trinken?
Ich habe zehn Jahre lang Alkohol schwer missbraucht und habe leider einen sehr langen Weg gehen müssen, bis ich verstanden habe, dass ich alkoholkrank bin. Ich bin damals im U-Bahn Klo aufgewacht und habe beim Blick in den Spiegel zu mir gesagt: „Entweder du machst jetzt Schluss mit deinem Leben oder du fährst sofort in die Suchtklinik“. Ich bin dann in das Anton Proksch Institut gefahren und habe das große Glück gehabt, dass ich noch am selben Tag einen Therapieplatz bekommen habe. Ich habe einen zweimonatigen Entzug gemacht und seit 20 Jahren trinke ich keinen Alkohol mehr.
Ich bin meiner Frau, meiner Mutter und meinem Sohn sehr dankbar, dass sie mir eine zweite Chance gegeben haben, mir alles verziehen haben und mit mir einen Neuanfang gewagt haben. Ohne meine Familie und natürlich auch ohne meine Therapeutinnen und Therapeuten wäre ich nicht dort hingekommen, wo ich heute zum Glück sein darf. Ich bewundere alle Menschen, die ihr Leben schaffen, ohne eine Sucht zu entwickeln – das sind für mich echte Helden.
Welche Rolle spielte der Alkohol in Ihrem Leben?
Der Alkohol war die größte Liebe meines Lebens, egal wie sehr ich auch geglaubt habe, meine Familie zu lieben. Trotzdem war der Alkohol immer stärker. Als ich noch bei meiner Mutter gelebt habe, habe ich ungefähr eine Kiste Bier am Tag getrunken.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen ein Suchtpräventions-Kabarett zu machen?
Ich wollte schon immer Kabarettist werden. Während meiner Therapie habe ich mein erstes Kabarettprogramm geschrieben und seit 2006 kann ich von meinem Traumjob leben. Das Suchtpräventions-Kabarett „100% Rauschfrei“ ist zufällig entstanden. Als ich es das erste Mal aufgeführt habe, wollte ich es eigentlich nie wieder spielen, da es mich sehr aufgewühlt hat. Im Publikum waren aber viele Ärzte, Psychotherapeuten, Lehrer und Pädagogen, die mir geraten haben, das Kabarett in Schulen zu spielen. Nach einem Jahr war ich schließlich dazu bereit, Aufträge anzunehmen und mittlerweile hilft mir das Kabarett nach 20 Jahren Trockenheit sogar dabei, nicht in die Versuchung zu kommen das Thema Alkoholsucht zu vergessen.
Worum geht es in „100% Rauschfrei“?
Das Kabarett handelt vom Umgang der österreichischen Gesellschaft mit Alkohol, der Trinkkultur und von den Beeinflussungen durch die Gesellschaft, die Werbung und andere Institutionen. Es ist auch ein Stück weit autobiografisch. Ich bin durch die Sucht komplett abgestiegen, habe auf der Straße gelebt und nach einem Entzug wieder ins Leben zurückgefunden. Diese Erfahrungen habe ich ohne Schuldzuweisungen und Ablehnungen gegenüber Suchtkranken im Programm verarbeitet. Das Kabarett gibt es in drei Variationen – für Kinder und Jugendliche, Erwachsene und Suchterkrankte.
Wann beginnt Ihrer Meinung nach eine Alkoholkrankheit?
Das ist schwierig zu sagen, weil es bei jedem Menschen individuell und anders ist. Oft sind die Anzeichen Unzuverlässigkeit oder Geldprobleme. Auch im Umfeld wird man häufig auf den hohen Alkoholkonsum angesprochen. Ein regelmäßiger Missbrauch führt meiner Meinung nach mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Abhängigkeit. Missbrauch beginnt für mich bereits mit der Einstellung, beziehungsweise der Motivation, Alkohol zu konsumieren: Wenn ich trinke, um mich selbst zu verändern, ist das ein Warnzeichen.
Wie reagieren Sie, wenn Ihnen Alkohol angeboten wird?
Wenn mir Alkohol angeboten wird, sage ich ganz offen, dass ich trockener Alkoholiker bin. Damit ist das Thema normalerweise erledigt. Es ist mir noch nie passiert, dass jemand negativ reagiert hat. Oft kommt es vor, dass in einer Gruppe, die ich nicht kenne, nach einer halben Stunde jemand zu mir kommt und mich fragt, ob der Konsum von zwölf Bier am Tag schon zu viel ist. Ich schaue nicht weg, sondern versuche zu helfen. Ich habe schon einige Freunde dazu gebracht, einen Entzug zu machen.
Wie beurteilen Sie den Umgang mit Alkohol bzw. die Trinkkultur in Österreich?
Für mich ist der Umgang mit Alkohol in Österreich schrecklich. Erwachsene sind keine Vorbilder für Kinder, weil sie immer und überall trinken. Kinder dürfen den Bierschaum trinken und es wird regelrecht zelebriert, dass sie auch ein Glas Sekt zu Weihnachten oder zu Silvester trinken dürfen, wenn sie alt genug sind. Später wundert man sich dann, wenn die Jugendlichen am Wochenende fortgehen und betrunken nach Hause kommen.
Es ist immer möglich sich überall zu betrinken. Auch das Fehlverhalten durch Alkoholkonsum, bis hin zu Gewalt-Ausbrüchen, wird entschuldigt. In Österreich ist Alkohol keine Droge mehr, sondern ein Grundnahrungsmittel. Außerdem werden die Gesetze nicht eingehalten, denn Mixgetränke werden auch an 14-Jährige verkauft und an Betrunkene wird Alkohol ausgeschenkt.
Was wünschen Sie sich im Umgang mit Alkohol?
Ich wünsche mir mehr Verantwortungsbewusstsein und ein grundsätzliches Bewusstsein dafür, dass Alkohol eine Droge ist. Erwachsene müssen wissen, dass sie Vorbilder für die Jugend sind. Eine Suchterkrankung ist eine Krankheit und keine Charakter- oder Willensschwäche. Es ist eine Krankheit, die von der Gesellschaft sehr gefördert wird. Aber nur so lange, bis sie ausbricht. Denn Alkoholikerinnen und Alkoholiker werden stigmatisiert und von der Gesellschaft ausgeschlossen.
Meine Botschaft lautet: Man kann auch ohne Alkohol leben – um leben, lachen oder weinen zu dürfen, braucht man keinen Alkohol.
Wie beurteilen Sie die Initiative „Weniger Alkohol – Mehr vom Leben“ vom Gesundheitsfonds Steiermark?
Ich finde die Initiative „Weniger Alkohol – Mehr vom Leben“ sehr gut. Ich habe die Initiative vorher nicht gekannt und bin durch die Kontaktaufnahme darauf aufmerksam geworden. Ich finde es toll, wenn Länder, Staaten und Institutionen in die Alkoholprävention investieren und nicht die Augen verschließen.
Was ist ihr Lieblingsgetränk (alkoholfrei) zu einem guten Essen?
Das ist ganz verschieden. Mittlerweile gibt es viele wunderbare alkoholfreie Getränke – vom Rhabarbersaft bis zu den verschiedensten Obstsäften. In erster Linie trinke ich Wasser, aber prinzipiell versuche ich auch zum Essen ein passendes Getränk zu trinken. Einen alkoholfreien Wein oder ein alkoholfreies Bier trinke ich nicht, weil diese dennoch eine geringe Menge Alkohol enthalten. Dadurch wird das suchtkranke Gehirn irritiert.
Fotocredit: Schiffer Foto